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Sabrina Laue

Die Worte aus der Luft ziehen - Spurensuche in Prag

Aktualisiert: 23. Dez. 2023



Im Überraschungsbeitrag vom Oktober begibt sich Sabrina auf Spurensuche im wunderschönen Prag.


Ankunft


Es liegt Nebel über der Landschaft, als ich in Domažlice ankomme. Ich steige aus, direkt auf die Gleise und suche mit den anderen vier Passagieren, die ebenfalls nach Prag wollen, den Schienenersatzverkehr. Wir finden den Bus, fahren auf Landstraßen an endlosen Feldern vorbei, dann wieder durch ein Dorf. Der Himmel ist wolkenverhangen, in der Ferne zeichnen sich Hügel und Wälder ab. Nach einer Stunde sind wir in Plzeň, Pilsen, wo ich am Gleis auf den Direktzug nach Prag warte. Es ist spät vormittags, als ich in Prag ankomme.

Leben und Arbeit in Prag

Ich mache mich auf zum Hotel. Kaum habe ich den Bahnhof verlassen und den Weg in eine Gasse eingeschlagen, bin ich gefesselt von der Architektur. Es klart auf und Prags Fassaden strahlen im Sonnenschein, der mittlerweile durch die Wolken dringt. Die Häuser spiegeln die unterschiedlichsten Stile und Epochen wider – Renaissance, Jugendstil, dann zur Altstadt hin romantisch und gotisch. Mein Hotel liegt unweit der Ecke der ehemaligen Karpfen- und Maiselgasse. Heute Náměstí Franze Kafky – Franz-Kafka-Platz. Ein gusseisernees Abbild von Kafkas Gesicht schaut in unbestimmte Richtung, hinter ihm ein Gewirr aus Straßen, Gassen, wie Büchern in einem Regal.



In dem Haus, welches hier einst stand, wurde Kafka am 3. Juli 1883 geboren. Von seinem Geburtshaus ist nur noch das Tor übrig – das Haus, das heute dort steht, wurde erst danach erbaut. Prag ist zu der Zeit Teil der europäischen Hegemonialmacht Österreich-Ungarn. Kafkas Familie gehört der jüdisch deutschsprachigen Minderheit in Prag an, weshalb er auch eine deutsche Schule besucht. Die Bevölkerung in Prag setzt sich zu der Zeit aus einer weitgehend verarmten tschechischen Mehrheit und einer deutschen Minderheit zusammen, letzter bildet die herrschende Schicht. Obwohl Deutsch die Sprache der Verwaltung, der Geschäftswelt und des Militärwesens ist, spricht nur ein Bruchteil der Menschen Deutsch. In Prag existieren zwei Kulturen neben- und gleichzeitig getrennt voneinander. Gegenüber von Kafkas Schule liegt eine in Konkurrenz zur deutschen stehende tschechische Schule.


Bilder: 1. Das Haus zu den drei Königen, 2. Der alte Markplatz in Prag, 3. die ehemalige Zeltnergasse

Die in Prag lebenden Juden stehen vor dem Ersten Weltkrieg unter dem Schutz Kaiser Franz Josephs I. Aufgrund dessen assimilieren sich viele Prager Juden mit der deutschen Sprache und Kultur. Die Prager Altstadt ist geprägt vom Judentum – vom alten Getto, das Ende des 19. Jahrhunderts wegen hygienischer Missstände zerstört wurde, zeugen nur noch der Alte Jüdische Friedhof und die Altneusynagoge, beide Schauplätze zahlreicher Legenden und Geschichten.


Bild: Der alte jüdische Friedhof, heute Teil des jüdischen Museums in Prag.


Kafka ist nicht verankert im jüdischen Glauben und der Tradition, er fühlt sich nicht verwurzelt in der Kultur, die eigentlich die seine ist und doch fremd. Als er jedoch beginnt, eine Vorstellungen der jiddische Theatergruppe aus Lemberg um Jizchak Löwy im Café Savoy besucht, ändert sich sein Zugang zum Judentum. Er ist fasziniert von den Schauspielern, vor allem von deren Gestik und Erzählweise des Lebens der Ostjuden. Er beginnt Hebräisch zu lernen, besucht regelmäßig Löwys Vorstellungen und beschäftigt sich mit jüdischer Literatur. Er träumt sogar eines Tages nach Palästina auszuwandern, doch zuletzt erkennt er die Unerreichbarkeit dieses Ziels.


Nach der Schule studiert er an der Prager Karl-Ferdinands-Universität (heute bekannt als Karlsuniversität), erst Chemie, dann besucht er kurz Veranstaltungen der Germanistik und Philosophie. Schließlich schreibt er sich für Jura ein und studiert an der juristischen Fakultät im Karolinum. Seine Zeit als Schüler und Student verbringt er in der heutigen Celetná 3, mit einem Zimmer im zweiten Stock und Blick auf die damalige Zeltnergasse.

Nach seinem Studium, arbeitet er zunächst ein Jahr bei der italienischen Versicherungsgesellschaft Assicurazioni Generali am damaligen Wenzelplatz. Die Arbeitsbedingungen sind für ihn jedoch unerträglich: hohe Stundenzahl, fast kein Urlaub. Keine Zeit zum Schreiben. Er sucht sich eine andere Arbeit, die ihm mehr Raum dafür lässt und beginnt bei der Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt für das Königreich Böhmen (heute das Hotel Mercure). Hier endet sein Arbeitstag teilweise schon um 14 Uhr, jedoch wird die Verbindung von Arbeit und Schreiben immer eine unmögliche Aufgabe für ihn bleiben.



Bilder: 1. Der ehemalige Wenzelplatz bei Nacht. 2. & 3. Im ehemaligen Hotel Erzherzog Stephan (danach Hotel Europa, heute geschlossen), liest Kafka zum ersten Mal aus Das Urteil.


Schreiben in der Stille

Die Arbeit bleibt für ihn immer etwas Oberflächliches – nur das Schreiben geht wirklich tief: „Ich schreibe anders als ich rede, ich rede anders als ich denke, ich denke anders als ich denken soll und so geht es weiter bis ins tiefste Dunkel.“ Schreiben ist für ihn ein inneres Verlangen, etwas dem er nachzukommen versucht: „Ich habe jetzt und hatte schon nachmittag ein großes Verlangen, meinen ganz bangen Zustand ganz aus mir herauszuschreiben und ebenso wie er aus der Tiefe kommt, in die Tiefe des Papiers hinein […].“ (8.12.1911) Oft genug scheitert er seiner Ansicht nach daran, hat „[a]us Müdigkeit nicht geschrieben“ oder hat „[s]olche Angst vor dem Schreiben, […] daß [er] gelegentlich, ohne beim Schreibtisch zu sein, Eingangssätze des zu Schreibende erfinde[t], die sich gleich als unbrauchbar, trocken, weit vor dem Ende abgebrochen herausstellen“ (13./16.12.1911). Wenn er nach längerer Zeit wieder zu Schreiben beginnt, fühlt es sich an als “ziehe [er] […] die Worte wie aus der leeren Luft. Ist eines gewonnen, dann ist eben nur dieses eine da und alle Arbeit fängt von vorne an.” (13.12.1911)

Bilder: 1. Das Haus "Minute", 2. "Das Haus zum goldenen Hecht", 3. Blick auf einen Platz in der Prager Altstadt


Kafka zieht in seinem Leben häufig um. Er sucht eine Wohnung, die ihm das bietet, was er zum Schreiben braucht: Vollständige Stille. Der Lärm, der in den hellhörigen Häusern der Altstadt durch alle Wände und Decken dringt, gleicht für ihn einem physischen Schmerz. Immer hört er die Schritte eines Dienstmädchens, laute Gespräche und Stimmen, oder etwas, das sich anhört wie das Rollen von Kugeln auf dem Boden über ihm. Diesem Lärm scheint er, ob ihm Haus der Familie oder später in der eigenen Wohnung in der Dlouhá 16, nicht zu entkommen: „Ich will schreiben, mit einem ständigen Zittern auf der Stirn. Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung“ (5.11.1911) In seinem Text Großer Lärm beschreibt er: „Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schlagen, durch ihren Lärm bleiben mir nur die Schritte der zwischen ihnen Laufenden erspart, noch das Zuklappen der Herdtüre in der Küche höre ich“. Allein nachts findet er die Ruhe und Stille, die er zum Schreiben braucht. Das Urteil schreibt er in einer Nacht, “von zehn Uhr abends bis sechs Uhr früh in einem Zug […]." (23.09.1912)

1916–1917 zieht Kafka auf den Hradschin in die Goldene Gasse in ein kleines Häuschen, das seine Schwester Ottla für ihn gemietet und restauriert hat. Hier findet er, zumindest kurzzeitig, die Ruhe zum Schreiben, die er bisher vermisst. Es ist zwar kalt und er empfängt wenig Besuch, doch die Zeit ist produktiv. Er schreibt hier fast den gesamten Erzählband Ein Landarzt.

Auf dem Hradschin gewinnt man etwas Abstand von dem Trubel der Altstadt. Hoch zu der Burg führen unzählige Treppen und Gassen. Wenn man im gelblich-orangenen Schein der Straßenlampen den Wegen folt, die schließlich zum hell erleuchteten Veitsdom und zur Prager Burg führen, spürt man die mystische Stimmung, die den Hügel und seine Gebäude umgibt.


Bilder: 1. & 3. Blick vom Hradschin Richtung Altstadt, 2. der Veitsdom innerhalb der Prager Burganlage auf dem Hradschin


„Alles vergessen. Fenster öffnen…“


Erwachen an einem kalten Herbstmorgen mit gelblichem Licht. Durch das fast geschlossene Fenster dringen und noch vor den Scheiben, ehe man fällt, schweben, die Arme ausgebreitet, mit gewölbtem Bauch, rückwärtsgebogenen Beinen, wie die Figuren auf dem Vorderbbug der Schiffe in alter Zeit. (Tagebuch, 14.11.1911)

Bilder: Kafkas "Fensterblicke", 1. & 2. Ausblicke auf die Zeltnergasse und gegenüberliegende Fassade des Hauses zu den drei Königen, 3. Blick in die frühere Niklasstrasse

Der Blick aus dem Fenster inspiriert Kafka, er findet vor dem Einschlafen „nur den Trost der Aussicht aus seinem Fenster“ (14.11.1911) In fast all den Wohnungen, in denen er mit der Familie oder allein wohnt, hat Kafka einen Blick auf eine belebte Gasse – die Zeltnergasse läuft auf den alten Marktplatz zu, wo die Kafkas ebenfalls im „Haus Minute“ 1889–1892 leben. Die Wohnung in der Dlouhá 16, in der Kafka später allein wohnt, befindet sich im jüdischen Viertel der Altstadt, genauso wie die Wohnung der Familie 1907 bis 1913 in der Niklassstraße. Hier finden im alten Rathaus kulturelle Veranstaltungen statt, Kafka organisiert hier einmal sogar einen Abend für die Theatergruppe um Löwy. Fenster und die Blicke nach draußen sind ein häufiges Thema in Kafkas Texten. Die Welt vor dem Fenster sieht man nur durch eine Scheibe hindurch, sie selbst bleibt fremd und unerreicht, gleichzeitig bleibt man im Schutz des Innen. Im Prosastück Gassenfenster schreibt er, „[w]er verlassen lebt und sich doch hie und da irgendwo anschließen möchte, wer mit Rücksicht auf die Veränderungen der Tageszeit der Witterung, der Berufsverhältnisse und dergleichen ohne weiteres irgendeinen beliebigen Arm sehen will, an dem er sich halten könnte, – der wird es ohne ein Gassenfenster nicht lange treiben.“ (1913) Das Fenster bleibt ein Trost – Flucht und Schutz zugleich, man nimmt Teil an der Welt und kann sie aber trotzdem mit Abstand beobachten.

Wenn man abends nochmal aufbricht

Kafka genießt es aber dennoch, in Prag einzutauchen, und unternimmt regelmäßig lange Spaziergänge. Er vermerkt in seinem Tagebuch einen „[s]chöne[n], einsame[n] Spaziergang […] über den Hradschin und das Belvedere“, auf dem Hügel, auf dem auch die Prager Burg liegt, und von dem aus man einen wunderschönen Blick über das Dächermeer der Stadt hat. Von hier aus geht er auch oft auf dem Petřín, ehemals Laurenziberg, spazieren – eine Parkanlage mit Wegen, die den Berg hinab zum Flussufer führen. Die Karlsbrücke, die zum ersten Mal im 12. Jahrhundert errichtet wurde, führt über die Moldau hinüber in die Prager Altstadt. Die Brücke ist fester Bestandteil von Kafkas Spazierrouten, er ist fasziniert von den schwarzen Barockstatuen, die die Brüstungen zieren: "Aufregende Heiligenstatuen auf der Karlsbrücke. Das merkwürdige Abendlicht der Sommerzeit bei nächtlicher Leere der Brücke." (Tagebuch, 19.6.1916)

Bilder: Die Karlsbrücke heute an einem wolkenverhangenen Herbsttag.


Kafka kennt seine Stadt und deren Geschichte gut, kann, wie Freunde später berichten, fast zu jedem Ort eine Geschichte oder Anekdote erzählen. Er spaziert gern durch die Gassen, bricht abends regelmäßig nochmal zu einem zweistündigen Spaziergang auf. Ein Aufbrechen, das zur Revolution wird, wie er es in einem Text festhält, zunächst in seinem Tagebuch, später 1913 leicht abgeändert in seinem Sammelband Betrachtung veröffentlicht:

Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Haus zu bleiben, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, das das Zuhausebleiben selbstverständlich macht […] und wenn man nun trotzdem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, […] wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, […] wenn man mit größerer als der gewöhnlichen Bedeutung erkennt, daß man mehr Kraft als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu bewirken und zu ertragen, daß man mit sich allein gelassen in Verstand und Ruhe und in deren Genuss wächst, dann ist man für diesen Abend so gänzlich aus seiner Familie ausgetreten […]. (Tagebuch, 4.1.1912)

Bilder: 1., 2., 3., 5.: auf dem Hradschin, 4. & 6.: auf dem Petřín


In den Kaffeehäusern der Stadt


Auch Kafka nimmt an der regen Kaffeehauskultur teil, die sich in Prag, wie in anderen europäischen Städten um 1900 entwickelt hat. In seinem Tagebuch erwähnt er seine Besuche im Café Arco, Café Corso, Café Continental und vielen mehr immer wieder, jedoch nur knapp und stichpunktartig. Im Café Arco trifft sich der Prager Kreis, ein Zirkel junger deutschsprachiger Literaten, den Kafka mit seinen Freunden Oskar Baum, Felix Weltsch und Max Brod gründet und mit dem sie sich von der Literatur der älteren Generation abgrenzen wollen. Auch im Café Montmartre und im Café Louvre kommen sie häufig zusammen. Die Kaffeehäuser sind Treffpunkt zahlreicher Intellektueller; hier diskutiert der Philosophenkreis um Berta Fanta, in dem auch Albert Einstein verkehrt, Franz Werfel trägt seine neuesten Gedichte vor und Egon Erwin Kisch ist Stammgast im Montmartre. Kafka nimmt die Atmosphäre auf – obwohl oft eher ruhig und schweigsam, beobachtet er die Szenen und kommt mit bedeutenden Intellektuellen seiner Zeit in Kontakt. Während das Café Arco heute eine Kantine des tschechischen Innenministeriums ist, sehen Café Louvre und Montmartre nach Schließung und Restaurierung wieder weitestgehend so aus wie zu Kafkas Zeit. Zumindest optisch lassen sie erahnen, welchen Flair die alten Häuser einst besessen haben – und ja, wenn man, beispielsweise im Café Louvre in den Raum hineinblickt, die Kellner in weiß-schwarzer Kleidung herumwuseln sieht, das Gerede der Menschen, das mit dem Geklapper von Geschirr zu einer wohlig vertrauten Geräuschkulisse verschwimmt. Wenn man dann noch hinten in den alten Billardraum blickt, der ganz verlassen, noch aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, so als hätten Kafka und seine Freunde den Queue gerade beiseitegelegt, um einen Blick aus dem Fenster ins Dunkel des Innenhofs zu werfen.


Bilder: Café Louvre von außen und innen, das letzte Bild zeigt den Billardraum.


Blätter und Briefe


Kafka verbringt fast sein ganzes Leben in Prag. „Diese Mütterchen hat Krallen“, schreibt er einmal an seinen Freund Oskar Pollak: „Prag lässt mich nicht los. Uns beide nicht. […] An zwei Seiten müßten wir es anzünden, am Vyšehrad und am Hradschin, dann wäre es möglich, daß wir loskommen.“ Wirklich loskommen wird er nie. Er verreist einige Male, unter anderem nach München und Paris, doch bis auf die letzten Monate seines Leben, die er unter anderem mit Dora Diamant zunächst in Berlin und schließlich im Sanatorium in Österreich verbringt, verlässt er seine Heimatstadt nicht. Sie ist ein Teil von ihm und seinem Schreiben. Die Orte in seinen Texten ähneln Prag in vielfältiger Weise: die engen, verzweigten Gassen, der Hügel zur Burg hinauf, zu der wir den Weg erst suchen müssen, da die Gassen nur antäuschen, uns hinaufzuführen und dann doch eine Wende machen. Die knarzenden Treppen und hellhörigen Häuser, in denen Kafka beim Schreiben über den Lärm der um ihn lebenden Menschen fast verzweifelt. Der Veitsdom, der als Vorlage für den Dom im Prozess gedient haben soll. Und schließlich Georg Bendemanns Blick aus dem Fenster, wenn dieser „den Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, […] auf den Fluß, die Brücke und die Anhöhen am anderen Ufer mit ihrem schwachen Grün“ blickt, welcher dem von Kafkas Wohnsitzes zu der Zeit, als er Das Urteil schreibt, stark ähnelt. Nach dem ersten Weltkrieg wird Prag die Hauptstadt der neugegründeten Tschechoslowakei. Viele Deutsche verlassen Prag, doch Kafka kann aufgrund seiner guten Arbeit und tschechischen Sprachkenntnisse seine Arbeit behalten. Aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes muss er sich jedoch 1922 frühzeitig pensionieren lassen. Zu dieser Zeit schreibt er an seinem letzten großen Romanprojekt, Das Schloss.

Bild: Die U-Bahnstation Želivského.


Die U-Bahn in Prag hat drei Linien. Prag wirkt klein, wenn man diese Zahl mit anderen europäischen Städten vergleicht. Zum Neuen Jüdischen Friedhof fahre ich von der Alstadt aus bloß zehn Minuten mit der Linie A. Bei Želivského steige ich aus, nur wenige fahren bis hierher. Im Gegensatz zu den Menschenmenge, die sich bei Staroměstská auf den U-Bahngleisen tummeln, wirkt die Station ruhig, fast still. Oben angelangt, liegt der Friedhof fast direkt neben dem Ausgang der U-Bahn. Ein paar Schritte und ich gehe durch das Tor, nur ein paar vereinzelte Menschen gehen den Weg an der Mauer entlang. Ich folge ihnen, ein Schild zeigt an, dass es hier zum Grab von „Dr. Franz Kafka“ geht. Kafka stirbt am 3. Juni 1924 in Kierling, in dem Sanatorium in Österreich, wo er bis zuletzt noch an der Druckfahne Der Hungerkünstler arbeitet. Beigesetzt wird er am 11. Juni auf dem Neuen Jüdischen Friedhof. Die Blätter haben sich schon rot und gelb verfärbt und bedecken den Weg. Der Blick schweift über Grabsteine, Namen, Daten. Es ist sonnig und das Licht bricht sich in den Blättern. Nach ein paar Minuten kommen wir an. Zwei Menschen stehen schon davor, ein grauer hoher Stein. Ein Bild ist aufgestellt, dazu eine Kerze und ich entdecke lauter kleine Briefe, die auf dem Grab liegen, an Franz adressiert. Es stoßen ein paar weitere Leute dazu, eine kleine Traube bildet sich vor dem Grab und die Sonne wirft unsere Schatten darauf.


Bilder: Neure jüdischer Friedhof, Grab Kafkas und seiner Eltern.

Historische Orte

  • Wohnsitz der Familie Kafka im Jahre 1888: Celentá 2

  • Das Haus "Minute", Wohnsitz der Familie Kafka von 1889 bis 1892: Malé nám. 2/3, direkt am Alten Marktplatz.

  • Deutsche Knabenvolksschule, Kafkas Schule von 1889–1893: Masná-Strasse 16/1000.

  • "Das Haus zu den drei Königen", Wohnsitz der Familie Kafka von 1892–1907. Im selben Haus hatte Kafkas Vater auch 1887 bis 1906 sein Galanterie-Geschäft.

  • Karolinum (Karlsuniversität): Železná 9/541.

  • Café Louvre: Národní 20/116.

  • Assicurazioni Generali, Kafkas Arbeitgeber von 1907 bis 1908: Vaclavské nám. 19/832.

  • Das Haus zum Schiff, Wohnsitz Kafkas von 1907 bis 1913: Pařižská (früher Niklasstrasse) 36/883.

  • Die Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt für das Königreich Böhmen (heute das Hotel Mercure), Kafkas Arbeitgeber von 1908 bis zu seiner frühzeitigen Pensionierung 1922: Na Poříčí 7/1075.

  • Das Haus zum goldenen Hecht, Kafkas Wohnsitz von 1915 bis 1917: Dlouhá 16/704.

  • Haus im Goldenen Gässchen auf dem Hradschin, wo Kafka von 1916 bis 1917 lebte und arbeitete: Zlatá ulička 22.

  • Grab: Neuer jüdischer Friedhof in Strašnice, Izraelská 1, Prag 3.

Museum und Statuen

Franz-Kafka-Museum (Muzeum Franze Kafky), Cihelná 635, 118 00 Malá Strana, Prag

Franz-Kafka-Statue, Dušní, 110 00 Staré Město, Prag.


Achtung: Der "Rotating Head", eine Kafka-Statue von David Cerny wird gerade leider renoviert ...

Literatur und Quellen

Kafka, Franz: Tagebücher 1910–1923, Fischer 1973. Ders.: Erzählungen, Reclam 1995.

Ders.: Briefe 1900–1912, Fischer 1999. Lemaire, Gérard-Georges: Auf den Spuren von Franz Kafka in Prag, übers. v. Sylvia Strasser, Hildesheim 2002.

Franz Kafkas Prag, Broschüre des Franz-Kafka-Museums in Prag, 2019, www.kafkamuseum.cz.

Text & Bilder: Sabrina Laue


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