Körperlos
- Anna Kaltwasser
- 24. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
von Sinje Grenzdörffer Ein Text, der mit der inneren Unruhe und Eile resoniert, die keine Seltenheit in der Gesellschaft ist, in der wir leben. Worauf fallen wir zurück in letzter Instanz? Wo beginnt die Begegnung mit uns selbst und welche Instanz unseres Daseins sind wir angehalten geringzuschätzen und zu beherrschen

« Hey.
Warte auf mich. »
Ich schau zurück.
Seh dich hinter mir stehen.
Doch ich warte nich
Ich..
eile weiter, weiter.
Und du,
du bewegst dich kein Stück.
Kann dich nur noch verschwommen sehen.
Hör dich noch etwas rufen.
Doch kann es nicht mehr verstehen.
Egal.
Nur nicht stehen bleiben.
Treiben lassen ist nicht, sagen sie.
Treiben mich an, dich zu verlassen.
Also verlass ich mich auf sie,
verlass dich.
Ich…
Haste weiter, weiter.
Laufe wohl dressiert
um zu gefallen.
Stolpere etwas,
falle fast,
doch merke es kaum.
Denn da ist kein Raum,
in den ich fallen kann.
Kein Platz, mich fallen zu lassen.
Du schaust mir aus der Ferne dabei zu…
...wie ich mich weiter quäle,
ihre und nicht meine Geschichte erzähle.
Du gibst mir Zeichen umzukehren,
mich nicht um sie zu scheren,
ihre Urteile, ihre Werte
nicht zu meinen zu machen…
Doch die Macht hab ich nich.
Ich…
kann nicht mehr.
Bin überfüllt und gleichzeitig leer.
Hungrig und übersättigt im selben Moment.
Hab vergessen, wie man den Unterschied erkennt.
Und so zwäng ich mich unverdrossen
weiter in die von ihnen gegossene Form.
Mach all die Sachen, die sie dafür von mir wollen .
Spüre, wie sie meine Grenzen überschreiten.
Doch für ihr Lob akzeptier ich die Grenzlosigkeiten.
[Du schaust mir dabei zu.
Doch ich...]
Lasse sie aus meiner Erschöpfung Gewinn schöpfen,
mir abknöpfen, was ich entwickle, gestalte,
was ich schaffe.
[Du schaust mir dabei zu.
Doch ich nehm dich nicht mehr wahr]
Und während die Schere zwischen Sein und Sollen
immer weiter auseinanderklafft,
denk ich :
es ist leichter, mich weiter zu verzerren,
Erinnerungen in Verbindung mit dir wegzusperren…
Du...
du schaust mir dabei zu.
Und ich...
ich schaffe es nicht.
Halte nicht durch,
es nicht mehr aus.
Schalte ab.
Bin raus.
Von meiner vergangenen Ablehnung dir gegenüber unbefangen
folgst du deinem Gespür.
Bist den Spuren nachgegangen,
die ich hinterlassen hab.
Willst mich dazu bewegen, mich wieder zu regen.
Viel zu schlapp
winke ich ab.
Starre die Wand an.
Verharre
in dieser Starre.
Du flüsterst:
Das ist völlig ok.
Hier.
Ich hab Tee, wenn du magst.
Und du sagst laut „Halt!“ für mich.
Und leise zu mir:
„Ich halte dich, erhalte dich.
Sorge dich nicht!“
Bringst mich aus ihrer Gewalt zurück zu deiner Gestalt.
Und endlich lehn ich dich nicht mehr ab,
sondern mich an dich an.
Fühle aus ganzem Herzen,
dass ich mich auf dich verlassen kann.
Spüre deine Grenzen, deine Kontur,
die mich nicht beengt
Fühle:
ich hab nur mit dir und durch dich
den Raum loszulassen,
mich zu fassen,
mal wieder vor Glück
statt aus Erschöpfung zu taumeln.
Ich setz mich auf‘s Fensterbrett.
Lasse die Beine baumeln
und den Blick in die Ferne schweifen.
Vielleicht…
sind ihre Worte, Blicke, Taten,
die meine Grenzen mit Füßen traten,
die eigentlichen Gespenster und du keins.
Vielleicht...
bist du eigentlich ganz nett
und wir zwei eigentlich eins.
Über Sinje Grenzdörffer:
gedanken bauen gefühlen einen raum. und ich, ich bin mal begeistert, mal verzweifelt darum bemüht, dies zu notieren. poetische alltagsnotizen zwischen tanz und traum und bergen und fließen und dem ganz normalen wahnsinn. sincerely mine. cynje.
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