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Schreibwerkstatt "Wendepunkte"

Erik Klüssendorf-Mediger

Die folgenden vier Texte stammen aus einer kreativen Schreibübung unserer letzten Berliner Schreibsession zum Thema „Wendepunkte“. Die Texte wurden spontan verfasst und anschließend 1:1 abgetippt. Jeder Absatz stammt von einer anderen Person. In dieser kollektiven Übung beeinflusste jeder vorherige Absatz den nachfolgenden, denn nach jedem neuen Beitrag wurde das Blatt umgeklappt, sodass nur der vorherige Beitrag sichtbar war. Dies führte zu überraschenden und oft unerwarteten Entwicklungen in den Texten, die wir euch nicht vorenthalten wollten. Die Titel wurden von uns nachträglich hinzugefügt.


Kommt gerne bei einer der nächsten offenen Schreibsessions in München oder Berlin dazu!


 


 

1. "Erinnerung & Erbe"


Was hinterlasse ich meinen Kindern? Will ich überhaupt Kinder? Was hinterlassen mir meine Eltern + Großeltern? Eine brennende Welt oder schönen Schmuck und Trauer um den Verstorbenen? 


Wie viele nehmen wir mit von Menschen, die wir nicht kannten? Was nehmen wir mit von Menschen, die wir kannten, und wie prägt uns der Teil von ihnen, den wir nicht kannten? 


Allein kann ich ja dann gar nicht sein. Wenn ich mitnehme von Menschen, sind sie ja immer mit. Mir.  


Mein Kopf ist voller Erinnerung an einen Ort, den es so gar nicht mehr gibt. Ich bin und alle meine Freunde sind schon längst wieder nach Hause, zurück gezogen. Die ganzen Erinnerungen verfolgen mich bis hier hin und scheinen sich über mein angebliches Zuhause lustig zu machen.

 

Ich verkläre alles. Sonnenschein – Zitronen, blaues Meer, paar Kieswege und ne Terrasse auf deren waren Steine ich mich abends lege. Ich glaube die Sonnenuntergänge machen das. 


Die Sonnenstrahlen klären mich. Zeigen mir den nächsten Schritt. In die Wellen. Ins Salz. Will mich in meine nächste Phase so versenken, dass sie danach an mir klebt. 


Wenn sie vorbei ist, hinterlässt sie weiße Ränder zwischen meinen dunklen Haaren. 


 


 

5. "Drehungen im Wirrwarr"


– wenn ich einen Zeitungsartikel lese, hinterfrage ich vor allem dann meine eigene Meinung, wenn in dem Artikel das Thema von mehreren Seiten beleuchtet wird -> unterschiedliche Perspektiven zeigen, dass es (meist) keine eindeutige Antwort gibt -> diese Erkenntnis regt zur Reflexion an 


trotz der ganzen unterschiedlichen überzeugungen, mit denen man von überall konfrontiert wird, muss man seine eigenen standpunkt in dem wirrwarr finden. Teils dreht man sich, naja, ich mich gefühlt im kreis. der kopf tut von dem ganzen hin und her schon weh. woher weiß man bei den ganzen perspektiven, was die richtige entscheidung ist? 


hab mich entschlossen – bin zu dem Punkt zurückgekrochen – an dem sich noch alles gut angefühlt hat, nehme das nächste weiße Blatt. schreibe nur ein Wort: Sport 


Füge noch ein paar hinzu: Pendeln, Uhr. Bewegung. Kreis. Umdrehung. Rückkehr. 


Beim Tanzen fällt mir auf, Leute drehen sich so wenig im Club, alle sind statisch als hätten sie Angst, was hinter ihnen wartet. 


Aber scheiß drauf. I’m The Dancing Queen! Ich Tanze, während die anderen sich nur auf und ab bewegen. 


 


 

7. "Spucke & Wahrheit"


Die Wahrheit ist ein fragiles Ding, kaum setzt sie sich zusammen, da zerfällt sie auch schon. Jeder Mund hackt einen Teil von ihr ab. und & klebt mit Spucke etwas neues dran. 


Ich lasse mich ganz auf deine Wahrheit ein, versprochen. 


Oder zumindest versucht versprochen. Ich kann dir nichts garantieren und das weißt du. So kennst du mich und so haben wir uns auch kennengelernt: unverbindlich. 


Die Garantie kam wieder angelaufen, woher ich das weiss? Von dir, denn Kennenlernen kennenlernen, eine Währung. 


Kann ich meine Jugend wieder kaufen? Jede Garantie ist nämlich abgelaufen. Hä hä – Bin jetzt Dichter. 


Vielleicht befördert mich das kosten von meiner vergorenen und vergammelten Jugend in einen Rauschzustand in der ich mein neues, noch unreifes Alter, endlich liebevoll ausbrüten kann. 


 

 


 

11. "Umzugsgedanken"


So viele Pieps ziehen in diesen Moloch von einer Stadt. Berlin. Was wollen die Leute hier? Ich verstehe es nicht. Zugegebenermaßen ertrag ich die Stadt Berlin seit ein paar Jahren nur noch durch den Konjunktiv. 


alle wollen hier irgendwas – meistens feiern – irgendwas Ballern, diese Stadt verbraucht sich und ist dabei immer zwischen agressiv & friedlich. gestern hab ich mich kurz mal wohlgefühlt - eben gerade wieder wie der letzte Dreck. Diese Stadt wertet mich ab & wieder auf in einem fort. 


Wir suchen uns immer die Orte, die uns das geben, was wir brauchen. Oft ist das nicht so eindeutig und wir suchen uns die Grenzorte. Das Dazwischen ist auch ein Zuhause. 


Genieß die Abwechslung, den Wind, die Unregelmäßigkeit. Die vielen neuen Eindrücke. So lang du sie hast. Sie klingen wehmütig – ich: müde. 


Aber vielleicht will ich auch einfach nur mal raus aus allem. Raus aus Berlin, raus aus Deutschland, raus aus dem ganzen Scheiß. Jetzt! 


Mein Jähzorn schlug die Wellen der Ostsee, mit Vogelschiss.  


Du strahlst wie ein staubiger Windhauch, du hast aber nicht Biss.  


 



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