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Erik Klüssendorf-Mediger

Über Mutterschaft und Schreiben - ein Interview mit Anna Job (SALZIGE MILCH)

Foto: Priscillia Grubo

Am 22. Januar 2024 erschien Anna Jobs Erzählband SALZIGE MILCH im Kunstanstifter Verlag. Illustriert von Corinna Schmelter-Pourian, erzählt sie darin in melancholischen und zugleich leichtfüßigen Gedichten sowie Kurzprosa vom Zauber der Mutterschaft und den Brüchen, die dieses Glück begleiten. Von den Verlockungen der Freiheit, der Sehnsucht nach Verbundenheit und dem Willen, die Macht der Angst zu brechen. Und von der Liebe zum Meer.


Im vergangenen Jahr hatten wir das Vergnügen, ein Interview mit Anna Job zu führen. Als freischaffende Autorin und Mutter von zwei Kindern teilte sie Einblick in die Verbindung von Mutterschaft und Schreiben, wie nahe sich Langeweile und Tod sein können und welche Parallele sie zwischen dem Meer und ihren Erfahrungen als Mutter sieht.


 

Immer wenn das Baby schläft

Über Mutterschaft und Schreiben - ein Interview mit Anna Job


 
Foto: Priscillia Grubo

Liebe Anna, du bist freie Autorin und im nächsten Jahr erscheint dein Debüt SALZIGE MILCH beim Kunstanstifter Verlag. Wie würdest du jemand anderem deine Beziehung zum Schreiben verbildlichen?


Das passendste Bild ist eigentlich der kleine Bleistift im Kopf, der immer da ist und mit dem ich versuche, den Alltag einzufangen. Die meisten Dinge, über die ich schreibe, haben mich schon einmal selbst tangiert, sei es, dass ich sie gesehen oder selbst erlebt habe. Oft mache ich dann schnell eine Handynotiz oder notiere sie auf einem Schmierpapier und setze mich, um sie noch einmal richtig aufzuschreiben, nachts mit Schokolade und koffeinfreiem Kaffee an den Laptop. Irgendwie ist das Schreiben also immer präsent. Ich glaube, das geschieht aus dem Drang heraus, den Alltag zu verarbeiten, sich auszudrücken und kleine Wahrheiten einfangen zu wollen, die ich irgendwo sehe.


Was inspiriert dich besonders?


Auf meinem Instagram habe ich immer gesagt: Mütter, Wasser, Kompost, das sind meine drei Hauptthemen.

Mutterschaft ist etwas, das meinen Alltag total ausmacht und manchmal wird das abgetan als, „Ja, die ist halt daheim“. Als Mutter sitzt man auch oft Stunden lang am Spielplatz und ist ein wenig mit Langeweile konfrontiert, aber gleichzeitig musst du ständig wachsam sein und aufpassen, dass dein Kind überlebt. Von Hundekacke zu giftigen Beeren, über Nüsse zum Ersticken, bis zu Stürzen von Klettergerüsten oder Ertrinken in der Isar. Es sieht also banal aus, aber eigentlich bist du immer auch bei Leben und Tod. Dieses Aufeinanderprallen von krassen Gegensätzen finde ich auch im Garten oder dem Kompost – Es braucht eklige Regenwürmer. Und auch bei „Salzige Milch“ geht es viel um das Meer, das mit seiner gleichen Endgültigkeit und Bedingungslosigkeit wie Mutterschaft daherkommt. Die Welle reißt dich vom Brett, wie das fiebernde Kind dich ans Bett fesselt.


Hattest du Angst vor der Veränderung, Mutter zu werden, auch bezüglich deiner Tätigkeit als freischaffende Autorin?


Ich hatte schon ein bisschen Angst, aber nur vor der Schwangerschaft. Als ich dann schwanger war, war die Angst relativ schnell weg und ich war eher überwältigt von der ganzen Liebe und auch Ruhe, die eingekehrt ist. Statt des ständigen Hustles, der früher herrschte, hatte ich jetzt diese ganze Wärme und Familie und das hat schon auch schöpferische Kraft freigesetzt.


Wie hat diese Veränderung deine Arbeit beeinflusst?


Das hat mein Schreiben nochmal total verändert. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich meine Kinder geboren und mein Schreiben auch ein bisschen.

Vorher hätte ich immer gesagt, dass ich einen Job habe und nebenbei schreibe und mich nicht getraut, das Schreiben vor die Jobs zu stellen. Dass dann irgendwann der Wandel kam und ich gesagt habe, dass ich eine Autorin mit einem Brotjob bin, kam auch durch ein neues Selbstbewusstsein und aus dieser Kraft heraus, jetzt Mutter zu sein.

Lustigerweise habe ich außerdem, bevor ich Kinder hatte, Kinderbücher geschrieben, aber keinen Verlag gefunden und dann kapiert, dass ich einfach nur das kleine Format mag. Als ich angefangen habe, für Erwachsene zu schreiben und mich bei der Bayrischen Akademie des Schreibens beworben habe, wurde ich gleich genommen und habe dort in der Gruppe von Martin Kordić und Lena Gorelik nochmal viel Handwerkszeug gelernt. Und der Bewerbungstext von damals, der wird jetzt beim Kunstanstifter Verlag veröffentlicht. Darin geht es unter anderem auch darum, Ängste zu überwinden und innere Ruhe durch die Geburt zu finden.


Diese Veränderungen bezüglich deiner Arbeit waren vor allem inhaltlicher Natur. Hat sich durch die Mutterschaft auch verändert, wann und wie du arbeitest?


Das ist natürlich ein Thema, bei dem jede Familie gucken muss, wie sie sich aufteilt. Wir hatten uns für das „altmodische Modell“ entschieden: Ich Elternzeit, er Brötchen. Ich hatte total Lust auf die Babyzeit. Trotzdem haben wir beide viel Care-Arbeit geleistet, denn die geht ja über die 9 to 5 Grenzen hinaus. Die Entscheidung kann unter Umständen schwer im Voraus zu treffen sein. Zum Beispiel war mir immer klar, dass Kinder mit eins in die Krippe kommen, weil man ein Jahr Elterngeld bekommt, aber erst als die Kinder dann eins waren, war uns klar, dass wir das viel zu früh finden und haben dann krass gespart, um noch ein Jahr selbst betreuen zu können.

Ich habe dann tagsüber das Kind betreut und Organisatorisches, zum Beispiel die Kommunikation mit der Illustratorin oft auf dem Spielplatz per Voice Message gemacht.

Nachts, beziehungsweise auch beim Mittagsschlaf, war meine Schreibzeit. Man muss dann ganz diszipliniert organisieren: sich erst einen Kaffee zu machen oder etwas zu essen und erst dann gemeinsam ins Schlafzimmer zu gehen, um das Baby abzulegen. Denn wenn das Baby mal schläft, fängt die Schreibzeit gnadenlos an und man will keine Minute mit Kaffee kochen verlieren. Deswegen denke ich, wenn man aus der Elternzeit kommt, ist man eigentlich ein Organisationsgenie.


Welche institutionellen Faktoren sind dir begegnet, die die Vereinbarkeit von Autorinnen- und Mutterschaft erleichtert oder erschwert haben.


Altersdiskriminierung ist ein Punkt, der mich interessiert und der beeinflusst, wie frei man in der Entscheidung ist, zu Hause zu bleiben oder zu arbeiten. Denn selbst wenn du dich frei davon machst, was die anderen sagen, gibt es immer noch den Arbeitsmarkt, auf dem der Karrierepeak etwa um die dreißig rum ist und genau dann hat man aber auch die Kinderphase. Das bedeutet einen großen Druck, alles immer schon sehr früh machen zu müssen.

Wo man Altersdiskriminierung ganz klar sieht, ist beispielsweise bei Stipendienvergaben, die oft bis dreißig oder vierzig begrenzt sind oder auch, wenn dir ein Residenzstipendium angeboten wird, du aber kein Kind mitbringen kannst.

Das hatte ich vorher gar nicht auf dem Schirm. Es gibt aber auch allerlei Institutionen, die sich für eine bessere Vereinbarkeit einsetzen, wie zum Beispiel die Other Writers, die Listen angelegt haben, bei welchen Stipendien man Kinder mitnehmen kann oder auch K&K – Bündnis Kunst und Kind München, die versuchen, mehr Awareness für das Thema des Gender-Pay-Gap sowie generell Mütter und Väter in der Kunst zu schaffen.


Die Schwierigkeiten, die mit Mutterschaft einhergehen können, sind auch zum Gegenstand deines Schreibens geworden. Erhältst du diesbezüglich viel Resonanz?


Ja, wenn ich irgendwo öffentlich gelesen habe, war es bisher jedes Mal so, dass danach Leute und meistens schon auch Mütter zu mir kamen, die dann gesagt haben, ja ich fühl´s total.

Es gab aber auch schonmal das Feedback: „Boah was du schreibst ist so krass, dass ich glaube ich niemals Kinder haben will.“


Und berühren dich die Gespräche mit anderen Müttern?


Ja, das berührt mich schon, weil man auch Tipps erhält und dadurch nicht nur in seiner Bubble lebt. Oft ist es bereichernd, zu hören, was die Anderen erzählen, sodass man einfach verschiedene Perspektiven auf dem Schirm hat.


Gibt es etwas, das du anderen kreativ schaffenden Eltern mit auf den Weg geben wollen würdest?


Jemand sagte mir: „Dass du dich das traust, zwei Jahre Care-Arbeit zu leisten. Das würd ich auch so gern, aber dann würde ich ja mit Füßen treten, wofür unsere Mütter gekämpft haben.“

Als Mutter muss man sich oft für alles rechtfertigen. Wenn du nur Kinder hast, bist du eine Glucke, wenn du nur Karriere hast, bist du ein kalter Kühlschrank (lacht) und wenn du beides unter einen Hut zu bringen versuchst, dann bist du halt eine Rabenmutter. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Von daher wäre mein Tipp, sich von gesellschaftlichem Druck frei zu machen und auf sein Bauchgefühl zu hören.

Dann auf jeden Fall nachhaltig zu sparen, weil man natürlich weniger Geld als vorher hat und sich als kreativ schaffender Mensch eh schon in dem Konflikt befindet, andauernd Zeit für etwas zu brauchen, das NOCH ;) kein Geld abwirft. Kinder brauchen weniger Materielles als man denkt, und kaum etwas davon muss neu sein. Und ansonsten netzwerken, sodass man erstens nicht vereinsamt und vielleicht kleine Schreibgruppen mit Kind oder Zooms zu elternfreundlichen Zeiten entstehen. Sich also nicht aufhalten lassen und die Kinder mitnehmen, wo es geht. Oft stand ich wippend, mit Kind im Tragetuch, in einer Schreibwerkstatt.


 



ISBN: 978-3-948743-32-1


Format: 200 x 200 mm


Umfang: 152 Seiten


ET: 22. Januar 2024


Preis: 26 € (D)/ 26,80 € (A)


Für weitere Information und eine Leseprobe siehe hier.


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